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Aktuelles

23.01.2016 | SPD-Empfang zur Grünen Woche

Verbraucherpolitik in der Großen Koalition

Rede des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, Ulrich Kelber, MdB

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Genossen und Genossinnen,

vielen Dank für die Einladung und die Gelegenheit, heute über die Verbraucherpolitik der großen Koalition zu sprechen.

Den Titel dieses Empfangs "Darf's ein bisschen mehr sein?" verstehe ich als eine an die Verbraucherpolitik gerichtete rhetorische Frage.

Unser Ziel ist es selbstverständlich, Verbraucherinnen und Verbraucher so gut wie möglich zu unterstützen und zu schützen. Das geschieht jedoch nicht nach der Devise "viel hilft viel". Stattdessen brauchen wir passgenaue Lösungen, die sich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbraucher orientieren und ihr reales Verhalten berücksichtigen.

Verbraucherbild

Unser Ziel ist eine Verbraucherpolitik, die alle Verbrauchergruppen erreicht. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag ein differenziertes Verbraucherbild als Grundlage unseres verbraucherpolitischen Handelns vereinbart.

Unserem differenzierten Verbraucherbild liegen drei grundsätzliche Verbrauchertypen zugrunde, die uns die Verbraucherwissenschaft vor wenigen Jahren geliefert hat:

  • vertrauende Verbraucher, die wenig Zeit haben oder sich nehmen wollen, um Angebote auf Vor- und Nachteile eingehend zu prüfen, zugleich aber darauf vertrauen, dass die Rechtsordnung sie vor Gefahren und Schäden schützt
  • verantwortungsvolle Verbraucher, die mit ihren Konsumentscheidungen Verantwortung übernehmen für sich selbst, für andere oder für die Umwelt und sich für die ethische, soziale oder ökologische Komponente der Herstellung interessieren
  • verletzliche Verbraucher, die von vielen Marktprozessen ausgeschlossen sind, weil sie bspw. nicht über ausreichende finanzielle Mittel, Bildung oder Sprachkenntnisse verfügen, durch ihr Lebensalter eingeschränkt sind oder in ländlichen Gebieten leben.

Letztere sind in besonderem Maß auf den Schutz und die Vorsorge durch staatliche Maßnahmen angewiesen.

Jeder ist mal in der einen, mal in der anderen Rolle.

Das heißt:

  • Der Staat bietet Schutz und Vorsorge, wo Verbraucher sich nicht selbst schützen können oder überfordert sind.
  • Wir gestalten den Rechtsrahmen für selbstbestimmte Verbraucherentscheidungen.
  • In klaren, verständlichen und bedarfsgerechten Verbraucherinformationen sehen wir die Voraussetzung für die Souveränität der Verbraucherinnen und Verbraucher.
  • Wir stärken die Rechtsdurchsetzung - Verbraucher, Verbände, Staat

Verbraucherpolitik stärkt auf diese Weise die Handlungsmöglichkeiten der Verbraucher und schafft Freiraum für bewussten verantwortungsvollen Konsum.

Im Einzelnen ist dann zu prüfen, ob zur Lösung der Probleme staatliche Eingriffe (Regulierung) erforderlich sind oder ob andere Möglichkeiten (Projektförderung, Selbstverpflichtungen) zur Verfügung stehen.

Diese Überlegungen sind die Grundlage aller Maßnahmen, die wir in dieser Legislaturperiode zur Stärkung und zum Schutz der Verbraucher ergriffen haben. Auf folgende Maßnahmen möchte ich sogleich näher eingehen:

  • die Stärkung von Institutionen und die Verankerung von kollektivem Verbraucherschutz als Aufsichtsziel in Behörden des Bundes
  • die Schaffung der Marktwächter Finanzmarkt und Digitale Welt
  • die Einführung der Mietpreisbremse und die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie
  • die Einführung des Verbandsklagerechts bei Datenschutzverstößen und die Verabschiedung der Datenschutzgrundverordnung
  • Initiativen zum nachhaltigen Konsum
  • Bessere Vergleichbarkeit, erleichterter Anbieterwechsel, Protabilität, Tests, Portale

Stärkung von Institutionen und Verankerung des "kollektiven Verbraucherschutzes" als Aufsichtsziel von Behörden des Bundes

Die Stärkung der Institutionen des Verbraucherschutzes und die Berücksichtigung von Verbraucherinteressen bei der Aufsichtstätigkeit von Behörden des Bundes steht in dieser Legislaturperiode ganz oben auf unserer Agenda.

Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz haben wir die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sich nicht mehr nur um die Solvenz- und Marktaufsicht, sondern auch um den kollektiven Verbraucherschutz kümmert. Sie kann alle Anordnungen treffen, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern oder zu beseitigen.

Darüber hinaus prüfen wir derzeit, wie wir den kollektiven Verbraucherschutz in weiteren Bereichen der staatlichen Aufsicht stärken können. Das betrifft die Wettbewerbsaufsicht durch das Bundeskartellamt und die Regulierungstätigkeit der Bundesnetzagentur. Die mit der Digitalisierung verbundenen Umbrüche in Wirtschaft und Gesellschaft werfen aber insgesamt die Frage auf, ob die verschiedenen Aufsichts- und Regulierungskompetenzen über die digitale Welt in einer Behörde gebündelt werden sollten.

Schaffung der Marktwächter Finanzmarkt und Digitale Welt

Systematisches Beobachten und Analysieren der Märkte aus Verbrauchersicht - dies ist die vordringliche Aufgabe der neuen Marktwächter "Finanzmarkt" und "Digitale Welt".

Marktbeobachtung konzentrierte sich in Deutschland bisher allein auf Entwicklungen der Anbieterseite.

Obwohl der Finanzmarkt ein riskanter Markt ist und besonders viel Sachkunde erfordert, fehlte es bisher an einer übergreifenden und systematischen Marktbeobachtung aus Verbraucherperspektive.

Internet und digitale Welt haben maßgeblichen Einfluss auf unser Alltagsleben. Diese digitale Revolution vollzieht sich in rasend schneller Geschwindigkeit. Verbraucher sind kaum noch in der Lage, sich eine ausreichende Marktübersicht zu verschaffen. Zudem ermöglichen technische Innovationen immer auch neue Betrugsmaschen.

Die Marktwächter arbeiten nach dem Prinzip "Erkennen, Informieren, Handeln". Aufgabe der Marktwächter ist die verbraucherorientierte Beobachtung und Analyse des Finanzmarktes und des Marktes "Digitale Welt", um Fehlentwicklungen am Markt frühzeitig aufzudecken.

Beide Marktwächter haben ihre Arbeit am 1. Februar 2015 aufgenommen.

Sie sind jeweils ein Projekt beim Verbraucherzentrale Bundesverband und den Verbraucherzentralen der Länder. Der Verbraucherzentrale Bundesverband arbeitet je Marktwächter mit fünf spezialisierten Verbraucherzentralen zusammen.

Die Marktwächter werden die Märkte aus Verbrauchersicht beobachten und analysieren. Über ihre gewonnenen Erkenntnisse werden sie Verbraucher, Aufsichtsbehörden und Politik informieren. Hierfür werden die vielen Tausend Beratungen und Anfragen von Verbrauchern in den einzelnen Verbraucherzentralen in einem Frühwarnnetzwerk systematisch erfasst und ausgewertet.

Für die Arbeit der beiden Marktwächter stehen für 2016 und 2017 jeweils 10 Mio. Euro bereit.

Bessere Rechtsdurchsetzung

Durch die Zusammenführung von Rechtsetzung und Verbraucherschutz in einem Ressort ist es uns gelungen, die Perspektive der Verbraucherinnen und Verbraucher stärker in das Blickfeld zu rücken. Wir wollen dafür sorgen, dass aus dem "Recht haben" möglichst oft auch ein "Recht bekommen" wird.

Denn für die Verbraucher kommt es nicht nur darauf an, welche Ansprüche sie aus dem materiellen Recht ableiten können, sondern vor allem auch darauf, wie leicht oder schwer es ihnen gemacht wird, diese Rechte auch tatsächlich durchzusetzen.

Als Sozialdemokrat liegt es mir natürlich sehr am Herzen, dass "Recht bekommen" nicht eine Frage des Geldbeutels ist. Meines Erachtens ist es eine wesentliche Errungenschaft, dass über das Instrument der Beratungs- und Prozesskostenhilfe jeder Bürger auch dann Zugang zu anwaltlicher Beratung hat, wenn er selbst nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt, um einen Rechtsanwalt zu bezahlen.

Dennoch werden geringfügige Ansprüche von den Verbrauchern meist nicht individuell verfolgt, da der erforderliche Aufwand und das Risiko mit Blick auf den möglichen Ertrag unverhältnismäßig erscheint ("rationales Desinteresse"). So zeigt eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, dass Privatleute erst ab einem Streitwert von durchschnittlich 1.950 Euro bereit sind, vor Gericht zu ziehen.

Diese Passivität bei geringen Einzelschäden beschert uns ein großes Problem: Ein in der Summe ganz erheblicher Unrechtserlös verbleibt meist ohne Kompensation bei dem Anbieter.

Wir sind der Überzeugung, dass sich durch die Weiterentwicklung des kollektiven Rechtsschutzes bedeutende Fortschritte erzielen lassen - im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch im Interesse der vielen seriös agierenden Unternehmen in unserem Land, die natürlich ebenfalls unter den "schwarzen Schafen" leiden.

Hierzu brauchen wir klare, gut handhabbare Verfahrensvorschriften, damit das neue Rechtsschutzinstrument in der Praxis auch angenommen wird. Auf der anderen Seite werden wir vermeiden, dass spezialisierte Großkanzleien Sammelklagen allein aus eigenem Profitstreben ins Rollen bringen und Unternehmen - völlig unabhängig von der Rechtslage - zu sachwidrigen aber teuren Vergleichen zwingen.

Vor diesem Hintergrund sehen wir das Konzept der "Musterfeststellungsklage" mit besonderem Interesse. Ist es nicht eine gute Lösung, wenn qualifizierte Verbände massenhaft auftretende verbraucherrechtliche Streitigkeiten mit nur einer Klage und dem Ziel der Klärung zentraler Voraussetzungen und Rechtsfragen vor Gericht bringen können?

Den Gerichten wird es auf diesem Weg ermöglicht, sich auf die Klärung immer wiederkehrender Kernfragen zu konzentrieren, was der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dient und die Ressourcen der Justiz schont. Parallel sollte ein Klageregister geschaffen werden, zu dem Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Ansprüche nach Bekanntmachung der Klage niedrigschwellig, kostenfrei und mit verjährungshemmender Wirkung anmelden können. Das Musterfeststellungsurteil sollte für diese Ansprüche auch Bindungswirkung entfalten, so dass eine außergerichtliche Abwicklung der einzelnen Ansprüche - einvernehmlich oder im Rahmen der kostenfreien Streitschlichtung - wahrscheinlich wird.

Im BMJV halten wir dieses Konzept jedenfalls für eine gute Lösung, weshalb wir damit begonnen haben, zügig einen Referentenentwurf zu erarbeiten.

Wir wollen das Verbraucherrecht in Deutschland in Zukunft noch effektiver durchsetzen und die verschiedenen Möglichkeiten hierfür mit einer breiten Fachöffentlichkeit diskutieren. Deshalb werden sich die voraussichtlich Mitte April stattfindenden Verbraucherrechtstage in diesem Jahr mit dem Thema "Rechtsdurchsetzung" beschäftigen.

Generell gilt: Wir streben eine intelligente Kombination bewährter privatrechtlicher und behördlicher Durchsetzungsinstrumente an, die nicht miteinander konkurrieren, sondern sich sinnvoll ergänzen. Einen weiteren Baustein dieses "smart mix" wird die Musterfeststellungsklage bilden.

Meines Erachtens hat sich das deutsche System der zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung grundsätzlich bewährt. Gleichwohl stellen wir bei einem Blick über den nationalen Tellerrand fest, dass es in Europa gerade im Verbraucherschutz sehr unterschiedliche Systeme der Rechtsdurchsetzung mit einer Mischung aus privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Durchsetzungsinstrumenten gibt. In anderen EU-Mitgliedstaaten haben behördliche Entscheidungen häufig eine viel größere Bedeutung als in Deutschland. So können einige Behörden die Verwendung rechtswidriger Allgemeiner Geschäftsbedingungen untersagen oder bei Verstößen gegen verbraucherschützende Vorschriften Bußgelder verhängen.

Im Zuge der anstehenden Reform der europäischen Ver­ordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz werden diese Unterschiede zwischen den einzelnen EU-Staaten voraussichtlich wieder vermehrt in das Blickfeld rücken und wir werden auf europäischer Ebene zunehmend über effektive Rechtsdurchsetzung diskutieren.

Ausbau der außergerichtlichen Streitbeilegung

Zusätzlich werden durch den Ausbau der außergerichtlichen Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten - sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmer - neue Möglichkeiten der Konfliktbeilegung geschaffen.

Ein wichtiger Schritt ist das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz.

Das Gesetz ist Ende letzten Jahres vom Bundestag beschlossen worden und wird nach Passieren des Bundesrates aller Voraussicht nach im Frühjahr 2016 in Kraft treten.

Bei dem Gesetz zur Verbraucherschlichtung geht es um Gerechtigkeit im Alltag - um faire Lösungen von Konflikten bei den zahlreichen Verträgen, die Verbraucher mit Unternehmen täglich schließen.

Künftig wird es ein flächendeckendes Netz von Verbraucherschlichtungsstellen geben. Diese werden Verbrauchern die Möglichkeit geben, dort ihre vertraglichen Ansprüche aus Verbraucherverträgen niedrigschwellig und ohne Kostenrisiko geltend zu machen. Unternehmer können durch ihre Teilnahme an Verbraucherschlichtung ihren Service verbessern, Kunden erhalten und sich positiv von der Konkurrenz abheben.

Das Schlichtungsangebot ist für Verbraucher und Unternehmer freiwillig, sowohl hinsichtlich der Teilnahme als auch bezüglich der Annahme des Schlichtungsvorschlages. Das Gesetz setzt auf positive Bereitschaft zur Teilnahme und infolgedessen nachhaltige Ergebnisse.

Die Qualität des Schlichtungsangebots und damit das Vertrauen der Parteien in das Verfahren werden durch hohe gesetzliche Standards für die Ausgestaltung der Verbraucherschlichtungsstellen und die Qualifikation und Unabhängigkeit der Streitmittler gesichert. Die Einhaltung der gesetzlich festgelegten Anforderungen wird in einem Anerkennungsverfahren geprüft.

Mietpreisbremse und Umsetzung der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie

Durch Rechtsetzung sorgen wir dafür, berechtigte wirtschaftliche Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. Folgende Beispiele mögen das illustrieren:

Die am 1. Juli 2015 in Kraft getretene Mietpreisbremse regelt, dass Mieten für Bestandswohnungen (= Wohnungen, die bereits vor dem 1. Oktober 2014 genutzt und vermietet wurden) bei Wiedervermietung auch in angesagten Wohnvierteln und Großstädten höchstens um zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete angehoben werden. Sie gilt in Gegenden mit einem "angespannten Wohnungsmarkt". Diese Gebiete legen die Länder fest.

Mit der Einführung der Mietpreisbremse haben wir ein deutliches Zeichen gesetzt: In Zeiten der Wohnungsknappheit ist der Mietwohnungsmarkt kein Spekulationsgeschäft, denn es geht um das Zuhause von Menschen. Die Sozialbindung des Eigentums ist ernst zu nehmen. Mittlerweile haben 10 Bundesländer von der Ermächtigung zur Ausweisung betroffener Gebiete Gebrauch gemacht und fast 300 Gemeinden ausgewiesen.

Durch das ebenfalls am 1. Juli 2015 in Kraft getretene Bestellerprinzip soll sichergestellt werden, dass derjenige die Maklergebühren zahlt, der den Makler beauftragt hat bzw. in dessen Interesse der Makler überwiegend tätig geworden ist. In der Praxis ist dies meist der Vermieter. Eine von dieser Neuregelung abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Das Bestellerprinzip schützt Mieter, die die Wohnung wechseln müssen. Berichte aus Presse und Verbandskreisen legen nahe, dass die Umsätze bei der Wohnungsvermittlung stark zurückgehen und Makler jetzt ernsthaft mit den Vermietern über die Höhe der Courtage verhandeln. So ist es richtig und so sollte der Markt auch funktionieren!

Darüber wollen wir die Mieter besser vor einem "Herausmodernisieren" schützen.

Weitere geplante Änderungen:

  • ortsübliche Vergleichsmiete im Mietspiegel,
  • Abweichungen der vereinbarten von der tatsächlichen Wohnfläche,
  • Angleichung von Rechtsfolgen bei außerordentlicher und ordentlicher Kündigung wegen Zahlungsverzugs, insbesondere die sogenannte Schonfristregelung

Erste Diskussionsgrundlagen liegen vor, wir arbeiten daran, möglichst bald einen Referentenentwurf auf den Weg zu bringen.

Mit dem am 15. Juli 2015 vom Kabinett verabschiedeten Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie stärken wir den Verbraucherschutz bei Immobiliardarlehen. Zudem werden mit dem Entwurf zwei Vorgaben des Koalitionsvertrags erfüllt: Die Honorarberatung bei Immobiliardarlehen wird eingeführt. Und wir schaffen ein verpflichtendes Beratungsangebot bei dauerhafter und erheblicher Inanspruchnahme eines Dispokredits.

Wenn Verbraucherinnen und Verbrauchern, die in der Dispo-Falle stecken, ein Beratungsgespräch über Alternativen zum Dispo angeboten wird, dann wird das in vielen Fällen helfen. Denn: Viele Menschen wissen oft gar nicht, dass es preisgünstigere Alternativen gibt.

Mit der Einführung des "Honorar-Immobiliardarlehensberater" bauen wir die unabhängige Beratung weiter aus. Wer als Honorar-Immobiliardarlehensberater berät, darf keine Provisionen von Kreditgebern für die Beratung annehmen. Er wird ausschließlich vom Kunden bezahlt. Verbraucher wissen dann, dass die Beratung unabhängig und ausschließlich in ihrem Interesse erfolgt.

Datenschutz

Die Digitalisierung des Alltags schreitet voran. Ob Onlinebanking, Käufe im Internet oder Beiträge in sozialen Netzwerken, an vielen Stellen geben Verbraucher personenbezogene Daten preis. Bei jedem Klick im Internet, bei jeder Nutzung einer Smartphone-App hinterlassen wir digitale Spuren.

Verbraucherdaten sind in der digitalen Welt zu einer Währung geworden. Das Sammeln und Auswerten dieser Daten ist in der digitalen Welt ein lukratives Geschäft. Unternehmer, wie insbesondere die Anbieter von Suchmaschinen und sozialen Netzwerken lassen sich ihre Leistungen mit personenbezogenen Daten ihrer Nutzer bezahlen, die sie dann zu Werbezwecken oder anderen kommerziellen Zwecken nutzen oder an andere Unternehmen veräußern. Gleiches gilt für das Massengeschäft der App-Anbieter. Durch Internet und digitale Welt fallen sehr viele persönliche Daten an. Wenn diese verknüpft werden, können umfassende Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellt werden. Dies stellt eine besondere Gefährdung des Persönlichkeitsrechts dar und kann die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit einschränken. Ist die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen noch gewährleistet, wenn ich als Internet-Nutzer nur noch eine eingeschränkte Auswahl sehe? Wenn Versicherungen oder Banken keinen Vertrag mehr mit mir abschließen wollen?

Daher ist es wichtig, dass Unternehmer sich an die Spielregeln halten, die das Datenschutzrecht ihnen vorgibt. Tun sie dies nicht, so muss es Mechanismen geben, um die Durchsetzung des Verbraucherdatenschutzes zu gewährleisten.

Der einzelne Verbraucher ist mit der Durchsetzung seiner Rechte jedoch oftmals überfordert. Es gibt nur wenige Verbraucher, die es auf sich nehmen, ihre Ansprüche wegen Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung selbst gegen - insbesondere marktmächtige - Unternehmen durchzusetzen.

Um dem Datenschutz zu einer besseren Durchsetzung zu verhelfen, haben wir einen Gesetzentwurf für die Einführung einer Verbandsklage bei Datenschutzverstößen eingebracht. Das Gesetzgebungsverfahren wird hoffentlich in Kürze abgeschlossen sein, der Bundestag hat das Gesetz bereits beschlossen, am 29. Januar wird der Bundesrat das Gesetz behandeln. Wenn er damit einverstanden ist, können dann auch Verbraucherschutzorganisation wie z.B. die Verbraucherzentralen bald Unternehmen in vielen Fällen abmahnen oder vor Gericht auf Unterlassung klagen, wenn diese Unternehmen die Daten von Verbrauchern unrechtmäßig verarbeiten.

Kurz vor Weihnachten haben wir zudem auf europäischer Ebene einen großen Erfolg errungen. Nach über vierjährigen, intensiven Verhandlungen haben wir den Trilog zur Datenschutz-Grundverordnung abgeschlossen. Die Datenschutz-GVO wird ab Frühjahr 2018 das geltende Datenschutzrecht ablösen. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Es ist insbesondere durch den Einsatz des BMJV uns als Bundesregierung nicht nur gelungen, das bestehende Datenschutzniveau zu halten - dies war während der gesamten Verhandlungen unsere "rote Linie". Vielmehr konnten wir für die Verbraucherinnen und Verbraucher auch erhebliche Verbesserungen erreichen, die den Datenschutz im Internet und in einer Welt allgegenwärtiger Datenverarbeitung stärken.

Lassen Sie mich nur einige wenige Punkte hervorheben:

  • Das Marktortprinzip: Die Datenschutz-Grundverordnung wird auch für Unternehmen ohne Niederlassung in der EU gelten, wenn sie z. B. als Versandhändler mit Sitz in New York Verbraucherinnen und Verbrauchern in der EU Waren oder Dienstleistungen anbieten oder ihr Verhalten beobachten, z. B. durch Webtracking mit Cookies. Dies gewährleistet nicht effektiven Schutz, sondern führt auch zu mehr Wettbewerbsgleichheit zwischen europäischen Unternehmen und ihren Konkurrenten aus dem EU-Ausland.
  • Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung werden mit empfindlichen Sanktionen belegt. Droht Unternehmen nach deutschem Recht bislang nur ein Bußgeld von 300.000 EUR, werden es bei gravierenden Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung in Zukunft bis zu 20 Millionen EUR oder 4% des weltweiten Jahresumsatzes sein. Datenschutz wird damit zu einem Faktor werden, der bei Unternehmensentscheidungen nicht mehr ignoriert werden kann.
  • Wir gewährleisten, dass es in Europa keine "Datenschutzoasen" mehr geben wird. Zwar können sich Unternehmen, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, an eine Datenschutzaufsichtsbehörde als zentrale Anlaufstelle wenden, den sog. One-Stop-Shop. Diese zentrale Anlaufstelle muss aber, bevor sie eine Entscheidung trifft, mit den anderen Aufsichtsbehörden in Europa zusammenarbeiten. Können sich die beteiligten Datenschutzaufsichtsbehörden nicht einigen, wird der neu eingerichtete europäische Datenschutzausschuss die Streitfrage verbindlich entscheiden. Zugleich können sich Bürger und Verbraucher an ihren örtlichen Datenschutzbeauftragten wenden und bekommen auch von dort eine Antwort, selbst wenn das Unternehmen z.B. in Irland oder Luxemburg sitzt. Dies ist für Verbraucher eine erhebliche Verfahrenserleichterung und garantiert Bürgernähe.
  • Die Datenschutz-Grundverordnung stärkt die informationelle Selbstbestimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher, indem sie konkretere Anforderungen an die Wirksamkeit der Einwilligung formuliert. Die Einwilligung ist für mich noch immer Kern des Datenschutzrechts, nicht ohne Grund heißt es informationelle Selbstbestimmung. Nach der Datenschutz-Grundverordnung müssen vorformulierte Einwilligungen eindeutig und klar formuliert sein und dürfen, wie Allgemeine Geschäftsbedingungen, den Betroffenen nicht unangemessen benachteiligen. Außerdem müssen sie ihm ermöglichen, sofern dies zumutbar ist, in verschiedene Datenverarbeitungsvorgänge separat einzuwilligen. Dies richtet sich insbesondere gegen unübersichtliche Globaleinwilligungen. Auch den Grundgedanken des Koppelungsverbots konnten wir in der Datenschutz-Grundverordnung festschreiben.
  • Nur schlagwortartig einige weitere Punkte: Wir werden erstmals ein Recht auf Datenportabilität haben, das es den Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglicht, ihre Daten von einem Anbieter auf den anderen unproblematisch zu übertragen. Ebenfalls erstmals konnten wir Grundsätze des Datenschutzes durch Technik und der datenschutzfreundlichen Voreinstellungen auf europäischer Ebene festschreiben. Schließlich ist es uns gelungen, die in Deutschland bewährte Institution des betrieblichen Datenschutzbeauftragten "zu retten" - gegen große Widerstände, vor allem im Rat. Wir konnten sogar erreichen, dass betriebliche und behördliche Datenschutzbeauftragte in bestimmten Fällen nach der Datenschutz-GVO in allen Mitgliedstaaten bestellt werden müssen.

Nun stehen die Diskussionen auf nationaler Ebene an, wie wir unser Recht anpassen. Dabei stellt sich auch die Frage, wie wir noch bestehende Regelungsspielräume beim Verbraucherdatenschutz sinnvoll nutzen.

Förderung des nachhaltigen Konsums

Im September 2015 haben die Vereinten Nationen die Sustainable Development Goals, also die globalen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Nachhaltigkeitsziele), beschlossen. Das 12. Ziel thematisiert nachhaltige Produktions- und Konsummuster.

Die Bundesregierung hat unter Mitfederführung des BMJV eine interministerielle Ressortarbeitsgruppe zum Nachhaltigen Konsum eingerichtet, die Konzepte, Programme, Aktivitäten zum Nachhaltigen Konsum koordinieren, verknüpfen und entwickeln soll.

Im Rahmen der Weiterentwicklung der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung wird gegenwärtig ausgelotet, wie ein Indikator für nachhaltigen Konsum entwickelt und erarbeitet werden kann. Dabei wird diskutiert, ob die Angabe von sozialen Risikostunden, Menschenrechtsrisiken und Missständen in den Lieferketten der Produkte ein Indikatoransatz sein können.

Die Diskussion über Lebensstile und Werteorientierungen ist wichtig, wenn es darum geht, nachhaltigen Konsum zu fördern. Wir alle müssen uns in einer nachhaltigen Welt vor der Konsumentscheidung Gedanken machen: Was brauche ich? Wozu brauche ich es? Wen tangiert meine Kaufentscheidung?

Die Förderung nachhaltigen Konsums auf Seiten der Verbraucher kann z.B. durch eine verbesserte Verbraucheraufklärung und Verbraucherbildung geschehen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf das Projekt "Qualitätscheck Nachhaltigkeit" der Bundesregierung unter Federführung des BMZ (das BMJV ist im Steuerungskreis vertreten). In diesem Projekt werden bestehende Produktsiegel daraufhin bewertet, ob sie nachhaltig sind. Auf diese Weise soll dem Verbraucher eine Orientierung für seine Kaufentscheidung gegeben werden.

Der Qualitätscheck Nachhaltigkeit ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil unter dem Dach der Bundesregierung ein Kriteriensatz erarbeitet wurde, mit dem konkret die Frage beantwortet wird, was Nachhaltigkeit ist. Nachhaltig ist demnach nur, was sowohl Kriterien des Umweltschutzes als auch Sozialstandards, Menschenrechte und Menschenwürde und auch Systemkriterien der Transparenz und Nachvollziehbarkeit erfüllt.

Verbraucherpolitisch arbeiten wir im BMJV gegenwärtig daran, einen verbraucherorientierten Dialog darüber zu initiieren, welche Ansprüche - jenseits gesetzgeberischer Vorgaben - aus Verbrauchersicht an Inhalt und Darstellung von Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen zu stellen sind und ob und wie die im Qualitätscheck Nachhaltigkeit entwickelten Kriterien auch auf Inhalt und Darstellung von Unternehmensberichten übertragen werden können.

Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen sollen für den Verbraucher handhabbar, aufbereitet und nutzbar gemacht werden. So soll das Wissen und das Bewusstsein von Verbrauchern für Nachhaltigkeit in der Produktion, in den Lieferketten und beim Produkt erhöht werden. Zum anderen geht es auch darum, dass Unternehmen Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht als lästige und überflüssige Pflichtübung sehen, sondern beides als Wettbewerbsvorteil verstehen; oder anders ausgedrückt: den Unternehmen muss klar sein, dass bei nicht glaubwürdiger Beachtung von Nachhaltigkeitsbelangen ein wettbewerbsgefährdendes Reputationsrisiko entsteht.

Abschluss

Ich denke, was wir in dieser Legislaturperiode bereits erreicht haben, kann sich sehen lassen. Vieles haben wir auf den Weg gebracht. Einiges wollen wir noch erreichen. Unser Ziel ist es, Verbraucher in Deutschland auf hohem Niveau zu schützen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen eine interessante Diskussion!